Tobias Nussbaumer
Echo Drift
In seinen Werken vernetzt und verknüpft Tobias Nussbaumer Fragmente von Erinnerungen mit Ideen oder Konzepten. Er gestaltet virtuelle Bauten aus Gedächtnisstücken, schafft Zeichnungen mithilfe von Algorithmen und konfrontiert theoretische Begriffe mit Programmen für digitale Kreation und mit maschinellem Lernen. An der Schnittstelle von Gedächtnis, Identität und Technologie beobachtet er, wie sich Gedächtnisschichten in unseren Köpfen und in digitalen Systemen überlagern und auflösen.
Die in immersiven Installationen präsentierten Zeichnungen des Basler Künstlers verschmelzen mit den Räumen des Schlosses Gruyères und schaffen eine Erzählung, zu deren neuen Hauptdarstellenden wir selbst werden. In der Ausstellung Echo Drift setzt er seine Erkundung des Gedächtnisses – und der daraus entstehenden Identität – fort, um die unabwendbare Fragilität unserer Denksysteme zu enthüllen.
Filipe Dos Santos
Ausstellungskurator
Vernissage
Freitag 7. März, um 18.30
Tobias Nussbaumer
Nach seinem Bachelor of Arts in Illustration-Fiction an der Hochschule für Kunst und Design Luzern (2011) studiert Tobias Nussbaumer (*1987, Basel) Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Basel. Er vervollständigte seine Ausbildung mit einem Master of Arts an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel. Der Künstler wurde mit mehreren Preisen und Stipendien ausgezeichnet (Kiefer Hablitzel, 2015; Cristina Spoerri Stiftung, 2015; Ernst und Olga Gubler-Hablützel Stiftung, 2018; Atelier Mondial & Residency Unlimited New York, 2022) und präsentiert seine Arbeit seit über 10 Jahren in der Schweiz und im Ausland.
Vom Gedächtnis
Da sich Tobias Nussbaumer der Anfälligkeit der Gedächtnismechanismen bewusst ist, prüft er deren durch Vergessen oder Verzerrung bedingte Schwächen, die durch Filterungs- und Ordnungsprozesse entstehen. Hierfür nutzt er nicht nur sein persönliches Gedächtnis, sondern auch Archive und Kreativsoftware. Mittels der Konfrontation analoger und digitaler Tools stellt er die Art und Weise, wie sich das Gedächtnis bildet, verformt und fragmentiert, in den Mittelpunkt seiner Suche und legt so die Grenzen und Möglichkeiten der menschlichen wie künstlichen Denkprozesse offen.
Während die Spur der Hand in den Zeichnungen allgegenwärtig ist, beruht deren Komposition auf neuen Technologien der Raumwiedergabe. Tobias Nussbaumer findet Freude daran, Räume darzustellen, die durch den Einsatz dreidimensionaler Designsoftware gefiltert werden. In diesem Prozess wird alles Überflüssige entfernt, um die beschriebenen Orte und die auf Papier reproduzierten Bauten auf das Wesentliche zu reduzieren. In ähnlicher Weise verwendet der Künstler künstliche Intelligenz und automatische Lernsysteme wie GANs (Generative Antagonistische Netzwerke), um zu untersuchen, wie die Erinnerung in der menschlichen Wahrnehmung wie in digitalen Systemen entsteht, Schichten bildet und schliesslich scheitert.
Im Schloss Gruyères gestaltet Tobias Nussbaumer zwei immersive Räume in den Sälen für Wechselausstellungen. Im ersten erzählt er eine intime Geschichte: den Gedächtnisverlust seines an Alzheimer erkrankten Vaters. Die Vaterfigur, die sich in einem botanischen Garten bewegt, ist auch in den Zeichnungen zu finden. Diese erscheinen an den Wänden wie Erinnerungsblitze, Visionen, die teils fragmentarisch sind, teils unscharfe Ränder aufweisen.
Im zweiten Saal ragen Scheinsäulen bis zur Decke, um die in der Luft hängenden Zeichnungen solide zu rahmen. In diffuses Licht getaucht, entführen sie den Blick in verblüffende dreidimensionale Architekturen und Räume.
Schliesslich schafft Tobias Nussbaumer in der Abfolge der historischen Schlossräume Verbindungen zwischen seinen Werken und ihrem Umfeld. Die subtilen, auf Papier gezeichneten Überlagerungen breiten sich auf den historischen Wänden aus, antworten auf Gemälde und überlagern Tapisserien. In der Art auftauchender Reminiszenzen laden sie dazu ein, in den gedächtnisbeladenen Räumen neue Erinnerungen zu schaffen.