Myriam Mechita

L’or et l’azur de nos rêves empliront nos mains d’un bleu infini

08.07. – 15.10.23

Mit der Unterstützung von:

Das Schloss Greyerz lädt Myriam Mechita ein, seine Wände für die Sommerausstellung in Besitz zu nehmen. Die von grosser Poesie geprägten tiefschwarzen Zeichnungen der französischen Künstlerin breiten sich in den Räumen aus und geben den Blick frei auf eine sinnbetörende Welt aus Licht und Schatten. In ihren teils monumentalen Arbeiten lotet sie die Tiefen der Seele aus und inszeniert Visionen, die insgeheim zwischen Monstrosität und Erhabenheit, Ekstase und Melancholie schwanken.

Von Übergangsräumen und der Fremdheit des Alltags fasziniert, vereint Myriam Mechita in ihren Zeichnungen die Extreme, um ein Werk zu schaffen, in dem es von Symbolen und packenden Emotionen wimmelt. Mit lebhaftem Gestus schlüpft die Künstlerin in die Zwischenräume des Realen und des Fantastischen und gibt den Leidenschaften des Körpers und der Seele Gestalt, indem sie verwirrende Momente auf dem Papier fixiert.

Kurator
Filipe Dos Santos

 

Myriam Mechita

Myriam Mechita (1974*), in Straßburg geboren, lebt und arbeitet in Paris und Berlin. Die bildende Künstlerin beschäftigt sie sich insbesondere mit Zeichnungen, Keramiken und Drucken. Nach ihrem Abschluss an der École supérieure des Arts décoratifs de Strasbourg erwarb Myriam Mechita die Agrégation d’Arts plastiques. Sie unterrichtet heute an der École supérieure des Arts et Médias de Caen.

L’or et l’azur de nos rêves empliront nos mains d’un bleu infini

Im Zuge einer sinnesschärfenden Szenografie, die im perfekten Einklang zu ihrer furios kraftvollen Arbeit steht, spielt die französische Künstlerin mit der ehemaligen gräflichen Residenz und ihren historischen Räumlichkeiten. Durch die Gegenüberstellung des Schwarzen zu den lebendigeren Farben der Wände oder bereits vorhandenen Zeichnungen schafft sie ein Spielfeld, das den in ihrem Werk allgegenwärtigen Zweideutigkeiten und Antagonismen entspricht.

Myriam Mechita bringt in ihrer Arbeit die Extreme zusammen: Leben und Tod, Leid und Lust, Monströses und Erhabenes, Barockes und Fantastisches, Exaltiertheit und Melancholie. Dabei fängt sie die sowohl verstörenden als auch intensiven Momente zwiespältiger Gefühle auf dem Papier ein. So stehen eben diese Dualität und Spannung, die Fremdheit des Alltags im Mittelpunkt ihres künstlerischen Schaffens, indem auch unumstritten Myriam Mechitas Fähigkeit liegt, Emotionen zum Beben zu bringen und Gewissheiten zu erschüttern, indem die Schwelle des Scheins überschreitet und das sichtbar gemacht wird, was sich dem Blick entzieht.

Das rätselhafte und kodierte Universum aus Licht und Schatten, dessen Pythia Myriam Mechita selbst wird, wirft Fragen zu unserer Beziehung zum Körper, zur Sinnlichkeit, aber auch zum Schmerz oder zum Tod auf und bewegt sich zwischen Eros und Thanatos. In diesem sinnlichen Werk, in dem alles in Spannung zwischen antagonistischen Kräften steht, sind Lust und Leid miteinander verwoben, verschmelzen und bekämpfen sich. So betont die emblematische Figur der Schlangenfrau den Zwang, dem der weibliche Körper ausgesetzt ist und zugleich die Gewalt, die der Frau Schicht für Schicht auferlegt wird, sodass sie letztendlich in einer Form der Repräsentation gefangen ist, die ausschließlich der Unterhaltung des anderen dient. Ebenso verhält es sich mit dem kleinen roten Kleid, das neben den glänzenden Rüstungen im Burgundersaal installiert ist: Ein Kleid, das in den 1950er-Jahren von der Filmindustrie als Maßstab nicht nur für die Farbgebung, sondern auch als Archetyp eines Körpers verwendet wurde, der sich anpassen muss, um vor die Kamera treten zu dürfen.

Unter den rund achtzig in Schloss Greyerz ausgestellten Werken sind insbesondere zwei große Komplexe hervorzuheben. So bietet die Ausstellung zunächst an, zwanzig Zeichnungen aus dem Livre des sacrifices zu entdecken, einer Serie von Traumfetzen, die auf den Seiten eines zerstückelten Heftes komponiert wurden. Auch hier greift Myriam Mechita Ambivalenzen und Antagonismen auf und kreiert ein Spiel in der Zäsur dieser Werke zwischen dem, was man sieht, und dem, was sich den Sinnen entzieht, folglich zwischen Bildern und Eindrücken. Binnen dieser Serie finden sich punktuell folgende Elemente wieder: anatomische Fragmente, die Ruine, das Archiv, der Unfall – allesamt Motive, die regelmäßig unter dem Bleistift der Künstlerin hervortreten. Ein anderes wiederkehrendes Motiv sind die multiplen Augen, die sich über viele Zeichnungen erstrecken. Als Grenze zwischen dem Äußeren und dem Inneren des Körpers, als Durchgangsort zur Seele ist das Auge ebenso mit dem Sehen wie mit der Wahrnehmung verbunden. Es greift zudem die Verankerung von Myriam Mechitas Arbeiten in der Vision, der Hellseherei und/oder der Fantasie auf.

Der zweite große Komplex, Tu vas comprendre, besteht aus schwarzen Bleistiftzeichnungen auf roter Tinte. Diese Bilder entspringen entweder aus Visionen oder aus Rückblicken, wobei nicht immer klar ist, ob es sich um erlebte, kreierte oder neu stimulierte Erinnerungen handelt. Einige Elemente dieser Serie haben einen hohen Wiedererkennungswert, wie etwa die kunstgeschichtlichen Bezüge, die Myriam Mechita als Kind geprägt haben und sich bspw. in Anspielungen auf die Gemälde von Ingres oder Fra Angelico ausdrücken. Andere Bilder zeigen eine unwirkliche oder fantastische Nuance auf. Diese aktuell noch unvollendete Serie umfasst derzeit mehr als 300 Stücke, von denen 27 im Schloss Greyerz zu sehen sind.

Die Ausstellung fokussiert bewusst die Zeichnungen der Künstlerin, gibt Myriam Mechita aber mit Freude darüber hinaus auch den Raum, einige mehrdimensionale Arbeiten zu präsentieren. In Letzteren verwendet die Künstlerin große Blätter und schafft unregelmäßige Faltungen, die an Origami erinnern. Diese Papierkompositionen mit dem Titel Géométries cristallines wurden aus NASA-Fotografien ferner Galaxien hergestellt und bilden Himmelsausschnitte ab. Durch das Falten und Zusammenklappen dieser an sich zweidimensionalen Bilder verleiht Myriam Mechita ihnen Volumen und macht eine Welt sichtbar, die für das menschliche Auge ebenso schwer fassbar ist wie bestimmte Empfindungen – ein Universum, das nur durch das Prisma eines flüchtigen Fragments erfasst werden kann.

 

Mit der Unterstützung von:

Château de Gruyères

Rue du Château 8

1663 Gruyères

Ouvert tous les jours

9h - 18h (avril - octobre)
10h - 17h (novembre - mars)